Aufgrund zahlreicher Medienbereichten (vgl. derStandard.at, heise.de, wienerzeitung.at, etc.) stellt sich die Frage, was denn tatsächlich bei der Veröffentlichung des Namens der Mieter auf dem Klingelschild beim Eingang des Wohnhauses nicht DSGVO-konform sein soll.
Zunächst sei auf Art 5 DSGVO verwiesen, der die Grundsätze der Datenverarbeitung regelt und besagt, dass allem voran eine Rechtsgrundlage nach Art 6 vorliegen muss, damit eine Datenverarbeitung überhaupt zulässig ist. Das Datenschutzrecht ist nämlich eine Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt, was soviel bedeutet, wie „es ist ersteinmal alles verboten, es sei denn, der Art 6 DSGVO erlaubt es.“
Als Zulässigkeitsvoraussetzung kommen demnach folgende Alternativtatbestände iSd Art 6 Abs 1 DSGVO in Frage:
- Einwilligung (Art 6 Abs 1 lit a)
- erforderlich, um einen Vertrag zu erfüllen (Art 6 Abs 1 lit b)
- erforderlich, um einer rechtlichen Verpflichtung nachzukommen (Art 6 Abs 1 lit c)
- erforderlich, um lebenswichtige Interessen des Betroffenen zu schützen (Art 6 Abs 1 lit d)
- erforderlich, für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt (Art 6 Abs 1 lit e)
- erforderlich, um berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten zu wahren, sofern nicht die Interessen oder Grundreche und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen (Art 6 Abs 1 lit f)
Liegt nun eine der og. Ausnahmetatbestände vor, ist die Datenverarbeitung grundsätzlich zulässig. Natürlich müssen noch die restlichen Grundsätze des Art 5 eingehalten werden, auf die im Folgenden aber nicht näher eingegangen wird. Der Einfachheit halber einigen wir uns darauf, dass das Abdrucken des Namens des Mieters auf dem Klingelschild eine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DSGVO darstellt und dafür eine Rechtsgrundlage gem Art 6 Abs 1 notwendig ist.
Es liegt auf der Hand, dass die Tatbestände „Vertragserfüllung“, „Rechtsverpflichtung“ sowie „Wahrung lebenswichtiger Interessen“ keine passende Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung bieten. Auch die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, scheidet nach einem kurzen Studium der dafür relevanten ErwGr aus, da diese Alternative vorwiegend für die Ausübung von hoheitlichen Aufgaben, Strafverfolgung, Smart Metering, soziale Sicherungssysteme etc. gedacht ist. Unzweifelhaft ist natürlich auch die Tatsache, dass es bei der Einwilligung des Betroffenen aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Probleme geben wird. Fraglich ist aber auch, ob die „personalisierten Klingelschilder“ nicht aufgrund eines berechtigten Interesses eines Dritten zulässig sein können.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Systematik des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt keine Neuheit der DSGVO ist, sondern bereits seit dem DSG 1978 bzw. seit dem DSG 2000 in ähnlicher Form anwendbar ist. Lediglich die Strafandrohung bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht wurde seit Geltung der DSGVO von € 25.000 (vor dem 25.5.2018) auf bis zu € 20 Mio bzw. 4 % vom Konzernumsatz des Vorjahres erhöht, weswegen die Verantwortlichen nun angehalten sind, die bis dato „vernachlässigbaren Datenschutzregeln“ einzuhalten.
Einwilligung als Erlaubnistatbestand iSd Art 6 Abs 1 lit a DSGVO
Liegt eine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung grundsätzlich zulässig. Und das so lange, bis die freiwillig erteilte und jederzeit widerrufbare Zustimmung widerrufen wird. Details zur Einwilligung iSd Art 6 Abs 1 lit a DSGVO werden im Art 7 genau definiert. Demnach muss der Verantwortliche (=Vermieter in unserem Fall) nachweisen können, dass die betroffene Person (=Mieter) eingewilligt hat. Die Einwilligung muss natürlich freiwillig erfolgen. Schriftlichkeit ist aber keine Gültigkeitsvoraussetzung, wenndoch die Schriftlichkeit im Sinne der Nachweisbarkeit aber empfohlen wird. Spannend in diesem Zusammenhang ist jedoch die Frage, ob die Einwilligung des Mieters genügt, oder ob alle im Haushalt lebenden natürlichen Personen eine Einwilligung erteilen müssen. Man muss wissen, dass das Grundrecht auf Geheimhaltung der personenbezogenen Daten iSd § 1 Abs 1 DSG ein höchstpersönliches Recht ist, das keine Vertretung zulässt. Somit kann die Einwilligung des Partners, oder der im gleichen Haushalt lebenden Kinder grds. nicht vom Mieter erfolgen.
Zusammenfassend kann aber festgehalten werden, dass die DSGVO keinen Grund sieht, dass die Namen der Klingelschilder durch „Top X“ ersetzt werden, wenn entsprechende Einwilligungen vorliegen. Das Problem wird in der Praxis aber sein, dass die Verantwortlichen Stand heute keine Einwilligungen nachweisen können und sich somit nicht auf die Einwilligung stützen können. Bevor nun von allen Mietern (und ggf. von sämtlichen Mitbewohnern) die Zustimmungen eingeholt werden, ist es natürlich einfacher und bequemer zu sagen, dass die Namen weg müssen, da es die DSGVO nicht zulässt.
Berechtigtes Interesse als Erlaubnistatbestand iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO
Es ist auch eine Überlegung wert, ob es nicht berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten gibt, die die Nennung des Namens am Klingelschild erlauben können. Ein berechtigtes Interesse iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO liegt nämlich immer dann vor, wenn
- ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nachweislich vorliegt
- eine Interessenabwägung zu Gunsten des Verantwortlichen oder eines Dritten durchgeführt wurde
- und die Verarbeitung für die Verfolgung des Interesses erforderlich ist.
Ohne im Detail auf die einzelnen Voraussetzungen eingehen zu wollen (vor allem, da dieser Artikel keine Rechtsberatung ersetzen soll und kann), darf aber festgehalten werden, dass die Rechtsgrundlage des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO auch dann gegeben sein kann, wenn der Verantwortliche bzw. ein Dritter (zB. Vermieter, Postbote, Paketzusteller, Gerichtsvollzieher, etc.) ein berechtigtes Interesse nachweisen und der Betroffene im Zuge der Interessenabwägung keine überwiegenden Interessen auf Geheimhaltung vorweisen kann und die Nennung des Namens am Klingelschild dafür erforderlich ist. Es wird also auch Fälle geben, in denen die „Personalisierung der Klingelschilder“ auch iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zulässig sein kann!
Natürlich hat auch in diesem Fall der Betroffene das letzte Wort, denn die Zulässigkeit iSd Vorliegens eines berechtigten Interesses besteht nur solange der Betroffene sein Widerspruchsrecht nicht geltend macht. Nach Art 21 DSGVO hat nämlich jeder Betroffene das Recht auf Widerspruch (Betroffenenrecht), womit sich der Verantwortliche ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf das „berechtigte Interesse“ stützen kann.
Stellt man es dem Mieter frei ob bzw. wie er das Klingelschild beschriften will, stellt sich die DSGVO-Frage gar nicht mehr, da dann der Mieter selbst in die Rolle des Verantwortlichen schlüpft.
Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, Namen der Mieter auf die Klingelschilder zu schreiben und Medienberichte wie „[…] wegen der neuen Datenschutzgrundverordnung dürfen die Namen von Mietern nicht mehr auf den Klingelschildern stehen […]“ schlichtweg falsch sind.