Die Veröffentlichung von Fotos auf der Schulwebsite ist eine automationsunterstützte Verarbeitung personenbezogener Daten und unterliegt demnach den Regeln der DSGVO. Eine Verarbeitung ist auch dann möglich, wenn die Verarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Siehe auch http://www.netsystem.at/wann-liegt-eigentlich-ein-berechtigtes-interesse-vor/
Berechtigtes Interesse für Schulen?
Art 6 Abs 1 letzter Satz DSGVO schränkt diesen Erlaubnistatbestand aber insoweit ein, dass sich Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben nicht darauf stützen können. Eine Schule kann als Behörde angesehen werden, da sie Bescheide erlässt. Zwar keine Bescheide iSd AVG, allerdings „bescheidähnliche“ Entscheidungen, die nach den Grundregeln eines rechtsstaatlichen Verfahrens erstellt und kundgemacht werden.[1] Bei diesen hoheitlichen Datenverarbeitungen kommt Art 6 Abs 1 letzter Satz DSGVO zur Anwendung, welcher besagt, dass sich die Behörde (=Schule) nicht auf den Rechtsgrund des berechtigten Interesses stützen kann.
Handelt die Schule aber nicht hoheitlich, indem sie zB. eine Schulwebsite betreibt oder Fotos während einer Schulveranstaltung aufnimmt, ist mE. jedenfalls eine Rechtsgrundlage iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zulässig, da es gerade in diesen Fällen nicht dem Gesetzgeber obliegt, per Rechtsvorschrift die Rechtsgrundlage für diese Verarbeitungen von personenbezogenen Daten durch die Behörden zu schaffen.
Außerdem wären ohne Unterscheidung in hoheitliche und nicht hoheitliche Datenverarbeitungen sämtliche Datenverarbeitungen einer Behörde unzulässig, die bereits vor Geltung der DSGVO vorgenommen wurden und sich auf die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 stützten. Demnach dürften in Behörden dann auch keine Videoüberwachungen durchgeführt werden oder keine Maßnahmen zur Einhaltung der IT-Sicherheit gesetzt werden, die sich auf den Rechtsgrund des berechtigten Interesses stützen.
Folglich wird diese Einschränkung so auszulegen sein, dass ein berechtigtes Interesse einer Behörde nur bei Verarbeitungen personenbezogener Daten für gesetzliche Aufgaben der Behörde ausgeschlossen ist. Liegt also kein hoheitliches Handeln vor, sondern handelt die Behörde bzw im weiteren Sinne der Staat iSd Privatwirtschaftsverwaltung[2], kann sehr wohl auf die Rechtsgrundlage des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zurückgegriffen werden.[3]
Aufgrund obenstehender Ausführungen können sich mE. Schulen auf die Rechtsgrundlage des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO („berechtigtes Interesse“) stützen und in bestimmten Fällen Fotos aus datenschutzrechtlicher Sicht auch ohne Einwilligung auf der Schulwebsite veröffentlichen.
Welche Kriterien für das Vorliegen eines berechtigten Interesses vorliegen müssen und nach welchem Prüfschema die einzelnen Voraussetzungen geprüft werden sollten, habe ich bereits in einem anderen Blog-Beitrag erörtert. Siehe auch meinen Praxisleitfaden „Das berechtigte Interesse iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO“
Ohne im Detail auf die einzelnen Prüfschritte einzugehen, wird das Dokumentationsinteresse bei der Interessenabwägung zugunsten der Schule ausfallen, da die Veröffentlichung des Klassenfotos keine nennenswerten Nachteile für die abgebildeten Schüler zur Folge haben wird und letztendlich jeder Schüler selbst entscheiden kann, ob er auf dem Foto abgebildet sein möchte.
Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG
Datenschutzrechtliche Vorschriften finden sich nicht nur in der DSGVO, sondern vor allem auch im österreichischen Datenschutzgesetz (DSG). In § 1 DSG ist das Grundrecht auf Datenschutz verfassungsrechtlich verankert, und seit 1.1.2014 unverändert in Kraft.
Nach § 1 Abs 2 DSG ist ein Eingriff in das Grundrecht durch staatliche Behörden nur auf Grund von Gesetzen, die aus Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, erlaubt. Staatliche Behörden sind nach Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger im funktionalen und nicht im organisatorischen Sinne zu verstehen, da auch Selbstverwaltungskörper davon umfasst sein sollen.[1] Somit werden auch Schulen darunter zu verstehen sein.
Eine gesetzliche Verpflichtung zB. aus dem Schulunterrichtsgesetz (SchUG) zur Veröffentlichung von Klassenfotos liegt nicht vor, woraus nach österreichischem Datenschutzrecht eine Veröffentlichung im ersten Blick unzulässig erscheint. Allerdings hat nach den Kollissionsregeln das Unionsrecht Vorrang und „verdrängt“ somit nationales Recht.[2] Aufgrund der Vorrangstellung des Unionsrechts kann das nationale DSG nicht der Rechtmäßigkeit nach der DSGVO entgegenstehen.
Bei genauer Betrachtung kommt man zum Ergebnis, dass die Veröffentlichung von Klassenfotos auf der Schulwebsite seit Geltung der DSGVO am 25.5.2018 aufgrund des Anwendungsvorrangs zulässig ist. Vor der DSGVO konnte sich die Schule nach § 1 Abs 2 DSG 2000 aber auf kein berechtigtes Interesse stützen. Mangels rechtlicher Verpflichtung und nicht vorliegender Zustimmungen der einzelnen Schüler wäre die Veröffentlichung vor der DSGVO nicht zulässig gewesen.
Widerspruchsrecht
Stütz sich die Datenverarbeitung auf den Rechtsgrund der Einwilligung, hat es der Betroffene immer selbst in der Hand, ob er zustimmt oder die Verarbeitung dadurch verhindert. Beim berechtigten Interesse kann er diese Entscheidung grundsätzlich nicht beeinflussen. Um aber trotzdem die Möglichkeit zu haben, einen Widerspruch für bestimmte Verarbeitungen einzulegen, normiert Art 21 DSGVO das Widerspruchsrecht und unterscheidet ein allgemeines Widerspruchsrecht (Abs 1), das vom Betroffenen das Vorbringen von „relevanten Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben“ verlangt[3] und ein Widerspruchsrecht gegen Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung sowie Profiling[4], soweit es mit solcher Direktwerbung in Verbindung steht.
Letztendlich kann der Betroffene vom Recht auf Widerspruch Gebrauch machen und die rechtmäßige zukünftige Datenverarbeitung dadurch verhindern.
Recht am eigenen Bild
Neben den datenschutzrechtlichen Vorschriften – die eine Veröffentlichung von Klassenfotos auf der Schulwebsite grundsätzlich nicht verbieten – ist auch noch § 78 UrhG „Recht am eigenen Bild“ zu berücksichtigen.
Demnach dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Das Recht am eigenen Bild ist keine urheberrechtliche Norm, sondern statuiert vielmehr ein Persönlichkeitsrecht.[5]
Berechtigte Interessen des Abgebildeten seien immer dann verletzt, wenn
- das Bildnis entstellend, entwürdigend oder bloßstellend wirkt
- die Intimsphäre verletzt wird
- das Foto für Werbezwecke verwendet wird
- ein abträglicher Begleittext abgedruckt wird
Werden keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt, greift der Bildnisschutz des § 78 UrhG erst gar nicht ein.
Zusammenfassung
Seit 25.5.2018 kann sich die Schule bei der Veröffentlichung von Klassenfotos nach der DSGVO grds. auf ein berechtigtes Interesse stützen. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts kann das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG dem nicht entgegenstehen. Bei genauer Betrachtung war die seit der DSGVO zulässig Veröffentlichung von Klassenfotos auf der Schulwebsite vor 25.5.2018 nicht zulässig! Der Mythos, dass die DSGVO nun alles verbiete kann hiermit widerlegt werden. Selbst der Bildnisschutz bzw. das Recht am eigenen Bild verbietet die Veröffentlichung nicht, sofern nicht die berechtigten Interessen der Abgebildeten verletzt werden. Die Eltern müssen der Veröffentlichung nicht zustimmen. Zur Höchstpersönlichkeit der Einwilligung siehe https://www.netsystem.at/dsgvo-zustimmungen-in-kindergarten-schule-co#hoechstpersoenlich
[1] Vgl Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger, DSG3 § 1 (Stand 1.11.2017, rdb.at) § 1 Rz 13.
[2] Nach Auffassung des EuGH haben die Mitgliedstaaten durch Abschluss von Gründungsverträgen einen neuen eigenständigen und autarken Rechtskörper geschaffen, dessen Recht in den Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden muss. Dies gilt auch dann, wenn Grundrechte einer nationalen Verfassung verletzt sind. Siehe Streinz, Europarecht10 (2016), Rn 466 ff; Vgl auch EuGH NJW 1964, 2371 (Costa/E.N.E.L).
[3] Das Widerspruchsrecht gem Art 21 Abs 1 besteht ratio legis nicht, wenn die Verarbeitung zusätzlich noch auf eine andere Rechtsgrundlage (zB Einwillligung iSd Art 6 Abs 1 lit a) gestützt werden kann.
[4] Vgl Art 22 Automatisierte Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling.
[5] Vgl Kodek in Kucsko, urheber.recht § 78 UrhG (Stand 1.12.2017, rdb.at).
[1] Vgl Juranek, Wo die Schule juristisch wird, S&R 1/2016, 56.
[2] Vgl Art 17, 116 Abs 2 B-VG.
[3] Ebenso Schulz in Gola, Art 6 Rz 50; bzw Herberlein in Ehmann/Selmayr, DS-GVO2 (2018) Art 6 Rz 21.